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Tübingen, den
23.II.51.
Meine einzige
Freundin!
Des Sonntags wegen muß ich es so
einrichten, daß mein Geburtstagsgruß schon morgen eintrifft. Ein
Geschenk gibt es wegen der schlechten Wirtschaftslage nicht.
Vielmehr: es wird erst folgen in der Gestalt eines kurzen
Frühlingsbesuches in Heidelberg Anfang April,
im Anschluß an meine Vortrags- und Familienreise: Neustadt, Weilburg,
Kronberg, Wiesbaden.
Und meine Wünsche für Dich kann ich auch nicht in neue Worte kleiden,
sondern immer wieder nur in die gleichen Versicherungen meiner Liebe
und tiefen Dankbarkeit.
Hier ist jetzt wegen des
Semesterschlusses eine ziemlich arbeitsreiche Zeit. Prüfungen und
Sitzungen häufen sich. Am (hier gottlob unbekannten)
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Geburtstag von
Susanne hatten
wir den zweiten Schub des Seminars zum Kaffee und Wein bei uns. Sie
selbst war am Tage vorher in
Alpirsbach
gewesen, wo es auch nicht besonders gut aussieht. (Praxis eines alten
Arztes fast = Null.)
Am Mittwoch habe ich in
einem Zuge die zweite Korrektur des neuen
Buches = 124 Seiten gelesen. Hoffentlich kommt es noch vor Ostern
heraus.
Ich habe heute noch einen Seminarabend und in der
nächsten Woche noch 2 Vorlesungsstunden; aber endlose Senatssitzungen
stehen bevor. Am 1. März beginnt die Periode der philosophischen
Vorprüfungen (an diesem Tage kommt übrigens
Wolfgang Franke dienstlich
hinterher.) Am 6. März ist noch ein Vortrag in
Calw, am 14. März in der "Kaiser"-Gesellschaft. Im
ganzen wird wieder von Ferien kaum die Rede sein.
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Heute reist
Konrad Honig
nach
Kronberg. Es ist jetzt so viel Material
gegen den Vormund
Brunhilde
Bethmann gesammelt, daß ein Vorstoß gegen sie beim
Vormundschaftsgericht nicht aussichtslos ist.
Es gibt hier
mancherlei, was noch verdrießlich stimmt. Das dritte Rektorjahr von
Erbe ist garnicht nach meinem
Geschmack. (Wir haben jetzt den langen
Thielicke gewählt.) Immer wieder möchte ich
ausrufen: "Schwäbisches, allzu Schwäbisches."!
Gestern war der
angenehme
Physiker Buchwald aus
Jena bei uns, wo
durch[über der Zeile] bei
die Lage der Goethe-Gesellschaft besprochen wurde. Im Osten
radikalisiert sich alles. Bei Buchwald studiert mein nie gesehener
Patensohn
Peter Schnabel (
dessen Vater aus der
Gefangenschaft in
Asserbeidschan wieder da
ist.). Er bewährt sich ebenso wie jetzt
Wolfgang Herchenbach bei
Kossel.
Ich komme
garnicht dazu, irgend
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| etwas Außerberufliches zu lesen;
nicht einmal die Zeitung kann ich verfolgen. Infolgedessen ist auch
dieser Brief recht inhaltsleer. Es kommt auch mal wieder besser. Ich
muß mich noch sehr für heute Abend vorbereiten. Habe also gütige
Nachsicht und lies zwischen den Zeilen, wo sehr viel Herzliches
steht.
Die ganze Belegschaft gratuliert mit mir. Ich wünsche
Dir einen gesunden Festtag mit einer kleinen, nicht anstrengenden
Feier, an der niemand so innerlich und intensiv Anteil nehmen wird
wie