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Heidelberg.
7.I.1951.
Mein liebes Herz!
Wenn ich nur wüßte, ob Du wohlbehalten, und ohne Schaden durch die
lange Wanderung durch den nassen Schnee nach Haus gekommen bist!? Es
war doch alles so schön und ich spann in Gedanken an alledem weiter,
was wir gesprochen hatten. Der Himmel war unsrer Zusammenkunft so
gnädig und schenkte Sonnenschein und wundersames Farbenspiel. Heute
zeigt er, daß er auch anders kann! – Bis zuletzt hatte ich vom
abfahrenden Zuge die dunkle Gestalt unter der Halle erkennen können,
dann zogen nur noch die fernen Lichter der einsamen Gehöfte an der
Scheibe vorüber. Die Fahrt ging rasch, und in
Bruchsal wurde wieder versichert, daß der
Karlsruher Zug auf dem gleichen Bahnsteig abführe. Es standen
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| und gingen eine ganze Menge Menschen in der feuchten Kühle
dort; über eine Viertelstunde Verspätung! Obgleich die Fahrt dann
eilzugartig ging, holten wir die Verspätung nicht ein; aber da wir
kurz vor 8 ankamen, war ich um ½ 9 zuhaus, ganz erfüllt von dem
Frieden unsres schönen Beisammenseins. Mit Bedauern dachte ich, daß
Du Armer noch mehr als zwei Stunden unterwegs sein müßtest, und
sorgte mich, ob es nicht für Deine Gesundheit zu viel sei.
Es
war so manches in unsern Gesprächen, was in mir weiterwirkte; es ist
ja mein Fehler, daß ich nie auf der Stelle die rechten Worte finde,
sondern immer nur mit bereiter Seele aufnehme, was Du mir mitteilst.
Es gibt mir dann lange zu denken, bis ich innerlich dazu Stellung
nehmen kann. Da ist die
Litt
gewidmete Schrift, auf deren Erscheinen ich mit Ungeduld warte. Denn
Du weißt ja, wie tief ich von der Ausweglosigkeit der heutigen
Weltlage bedrückt
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| bin, und wie ich von Dir den Hinweis
erhoffe, wie da ein höherer Sinn nun zu
gewinnen wäre. – Daß Du weniger verständnisvollen Eifer bei den
Hörern zu finden meinst, liegt vielleicht daran, daß manche nicht dem
Niveau Deiner Vorlesung gewachsen sind. Da wird wohl mancher Samen
erst mit der Zeit aufgehen.
Vielleicht fandest Du es störend,
daß ich noch stark unter dem Eindruck des
Werfelschen Buches stand, das
mich sehr gepackt hat? Dieser Mann hat eine fabelhafte
Darstellungsgabe, und ich hätte Dir so gern ein Bild davon gegeben.
Leider habe ich aber so garnicht die Gabe des Wortes. Es läßt sich so
viel Gleichnishaftes aus dem Buch herauslesen, und es ist so
wundervoll, wie er das Leben dieser Bernadette ausklingen läßt in dem
Ruf: – Ich liebe. – –
Und damit möchte ich heute schließen,
damit Du diesen Gruß womöglich Dienstag morgens erhältst und er Dir
sagt, wie ich Dir danke für diesen Tag, den Du mir schenktest.
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Viel
gute Wünsche für Gedeihen Deiner Arbeit und innere
Zuversicht.
Deine
Käthe.