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Heidelberg.
13.III.51.
Mein liebes Herz!
Es sind wieder zwei Tage ungenützt vorüber gegangen, und auch
heute wird es nicht viel mit dem Schreiben werden. Aber ich möchte
Dir doch endlich für den lieben Brief vom 7.III. danken und noch
besonders für Deine Bemühung wegen
Gretli Schwidtal. Möchte das doch einen rechten
Erfolg haben!
Das Semester hat dann also mit Zunahme der
Hörerzahl geschlossen. Vermutlich haben viele
es bedauert, nicht das Ganze gehört zu haben. Über all dies hoffe ich
ja noch allerlei mündlich von Dir zu hören. – Daß Du von
Calw aus einen hübschen Spaziergang machen
konntest, war mir eine Freude. Es gibt jetzt schon Tage, die wie Frühling anmuten. So war es
gestern im
Neckartal bei Ziegelhausen; eine
ganz unwirklich zarte
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| Stimmung. Wenn es doch bei Deinem
Hiersein auch so wäre! Hoffentlich ist Dein Befinden nicht mehr davon
gestört. Es ist wohl überhaupt nicht der Frühling schuld, sondern die
Nachwirkung des Winters. – Mir hat die etwas gehäufte Arbeit ein
wenig zugesetzt. Dabei ist es ja tatsächlich garnicht so viel
gewesen, es hat mich nur sehr nervös gemacht. Augenblicklich habe ich
täglich einen Abendschnupfen, der mich aber sonst nicht stört.
Meine geistige Nahrung ist der Bericht des
Kanzlers v. Müller über seine
Besuche bei
Goethe. Es ist ja
vieles dabei, was ich nicht verstehe, aber von 1821 ab wird es so
fühlbar menschlich wärmer, daß es mich sehr anspricht. Auch
gelegentliche Mißstimmungen ergänzen das Bild lebendig.
Was
mögen die Themata Deiner vier noch bevorstehenden Vorträge sein? Der
morgen im "Kaiserkreise" wird Dir gewiß Freude machen,
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weil Du da bestimmt verständnisvolle Hörer hast. – – Was das im
Tübinger Rundfunk sein sollte, habe ich nicht verstanden!? –
Hier in
Heidelberg soll am Sonntag der
Erlanger
Prof. Günther gewesen
sein, der mit
Dr. Drechsler
eine Besprechung hatte! Ich erfuhr es zufällig durch die Schwester,
Frau Hoffmann, die ich heute
besuchte. War das wohl wieder "konspirierens" halber? Die beiden sind
ja von
Berlin her bekannt. Aber Dr. D. ist
jetzt sicher in gutem Fahrwasser.
Angeregt durch die
erfreuliche Einnahme in der Klinik habe ich mehrere recht nötige
Anschaffungen gemacht. Ich habe, durch Dich ermutigt, unbesorgt meine
Forderung gemacht und ich hoffe, alle Beteiligten sind damit
einverstanden. Es ist ganz gewiß ratsam, so bald als möglich,
Notwendiges zu kaufen, denn die Preise steigen unheimlich.
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Ich habe jetzt Kleiderstoff für ein Winterkleid, das ich schon dies
Jahr hätte haben sollen, und ein paar Schuhe, nach denen ich schon
monatelang die Schaufenster studierte. Beides gefällt mir, aber es
hat viel gekostet. Doch nach der Billigkeit kaufen ist falsch! Jetzt
brauche ich noch ein praktisches Waschkleid, so wie das schwarz-weiße
war, das ich so lange Jahre gerne trug. Ich habe ja seit Ewigkeit
nichts Neues angeschafft! Dabei denke ich oft, wie schon seit Jahren,
es lohnt sich garnicht mehr in meinem Alter. Aber man möchte doch
nicht so herunter kommen!
Doch nun wirst Du genug davon haben,
mein lieber, einziger Freund. Ermiß an diesem Schmierbrief meine
Müdigkeit, die mich öfters im Lauf des Tages schon überfällt, und
habe Geduld mit mir. Noch 3½ Woche, dann hoffe ich, Dich zu sehen!
Mit innigen Grüßen
Deine
Käthe.
[li. Rand] An
Susanne schreibe ich sobald als
möglich!