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Heidelberg. 4. Dezember
1951
Mein liebes Herz!
Unsre
letzten Briefe haben sich leider gekreuzt, da will ich nur lieber
gleich ein wenig schreiben, umso mehr, als die erbetenen
Schutzhandschuhe schon eingetroffen sind. Über beides habe ich mich
gefreut und danke Dir – aber die Nachricht von Deinem "etwas
mickrigen" Befinden will mir garnicht gefallen. Du warst bei einem
Arzt! Wer empfahl ihn Dir? Was meinst Du mit den Hintergründen, die
er behandelt? Ist er etwa solch Psychoanalytiker? Da wäre er wohl
nicht an den Rechten gekommen! Wenn es doch auch
[über der Zeile] in Tübingen solch tüchtigen Arzt
gäbe wie unser
Frl. Dr. Clauß!
Ich bin jetzt natürlich recht besorgt, bis ich wieder Nachricht
bekomme. Die Handschuh
brachten nur einen Gruß. – – So konnte ich mich vorläufig noch
garnicht recht freuen auf die Ankündigung Deines stets so ersehnten
Besuchs für den 13.XII., auf dem Wege zur Forschungsgemeinschaft.
Ob ich Dir in dem Päckchen den Bericht über einen hiesigen Vortrag
von
Litt mitschickte, weiß ich
nicht. Ich kann ihn in der Zeitung nicht finden. Leider hörte ich ihn
nicht, denn die Anzeige war mir entgangen. Mir schien er, ebenso wie
Du, nicht für die Ergründung des Unterbewußtseins zu sein. Ich
glaube, da ist überhaupt schon eine lebhafte Gegenbewegung.
Heidelberg ist in beständiger Wahlunruhe,
teils um die Spielbankfrage, teils um den Südwest-Staat. Mein
Bekanntenkreis ist einstimmig dafür. Jeder Schritt fort von der
Zerrissenheit scheint mir ein Segen. – – Ein weiteres Problem
ist die
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| Absicht, wieder ein
Scheffeldenkmal zu errichten. Alles wird jetzt echt
demokratisch öffentlich in der Zeitung diskutiert. Es sind manch
recht annehmbare Äußerungen dabei, aber man wird doch den stillen
Verdacht nicht los, das schließlich doch das geschieht, was keiner
will.
Und was geschieht in der Politik? Da ist offenbar
offizielle Weihnachtsstimmung und über die nur "selbst zu öffnenden
Pakete" geht man schonend hinweg, um den Frieden zu wahren.
Mit besonderem Bedauern beobachte ich immer das ausgesucht
schlechte Wetter der Sonntage. Es ist in der Tat merkwürdig, daß Du
trotz dem bösen Einregnen in Freudenstadt
keinen Schnupfen bekamst. So äußern sich die Folgen davon vermutlich
in irgend einer andern Störung, und die alte Theorie besteht zu
Recht, daß ein Schnupfen ein erwünschtes Ablenkungsmittel sei. Ich
kann davon nicht mitreden, denn ich weiß garnicht mehr, wann ich wohl
zuletzt einen Katarrh hatte? Nur als einen Mangel empfinde ich es
nicht, im übrigen aber ebenso wie Du eine große Müdigkeit, die jede
Bewegung, körperlich und geistig, lähmt. Wie ich es daher machen
soll, einen "brillanten" Eindruck zu machen, ist rätselhaft, und ein
ungebührlicher Anspruch an meine Jahre – und überhaupt! Aber ich bin
weder verhungert noch erfroren dank Deiner lieben Fürsorge.
Eine rechte Freude war es mir, daß Dir
Susanne von
Alpirsbach bessere Nachrichten mitbrachte. Möchte
sich doch die Sache der kleinen
Christa
auch nach Wunsch klären. –
Die
schreibst von "
Orje", der
vermutlich hier Schorschel heißt, – oder eigentlich hieß, nämlich
während seines hiesigen Studiums. Zum "mögen" war er mir auch nie,
aber er ist der Sohn einer mir lieben
Frau und – kann wohl nicht dafür!
Doch nun
für heute "Gute Nacht". Hoffentlich schläfst Du recht gut,
<li. Rand> und holst Dir dabei neue Kräfte für das
ernste Tagewerk. Viel innige Grüße von
Deiner
Käthe.
[Kopf] Herzliche Grüße den
"Andern".