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<der scan von S. 3
ist teilweise unleserlich> Kümmelbacher Hof.
22.X.53
Als ich nach Deinem Fortgehen in den
Speisesaal kam, war dort im Briefschalter allerlei Post für mich: ein
Brief von der 90jährigen
Anna
Weise, eine Karte von
Lieschen
Schwidtal, eine Karte von
Frau
Héraucourt – und alle wollen Antwort! Und heute kommt noch ein
Brief von
Gisela Gaßner, die
Propaganda machen will für eine
Hannah Spohr, die Vorträge halten möchte
auf Grund der Mysteriendichtung Animus universalis. – Gisela will in
Mannheim etwas für sie arrangieren und fragt,
ob ich nicht eine Einladung auf den Kümmelbacher veranlassen
könnte!!! – Du verstehst jetzt, daß ich in diesem Familienverkehr
etwas zurückhaltend war und natürlich noch mehr sein werde. —
Am Dienstag kam kein Besuch, gestern waren
Frl. Seidel und
Frl. Ingold ziemlich lange zu
zweit da. Aber sie paßten ganz gut zusammen
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| und so war die
Anstrengung nicht so groß. Nun hoffe ich nur, daß
Hedwig M. heute allein bei mir
bleibt, denn wir haben doch allerlei zu besprechen. —
Ich muß
immer wieder die Tage an den Fingern zählen, denn es kommt mir wie
eine Ewigkeit vor, seit Du fortgingst. Es war bei den Postsachen noch
eine kurze Nachricht aus
Münster gewesen, die
mir sagen sollte, daß Du schon vor 10 Uhr kommen wolltest, was mich
also zu spät erreichte. Sonst wäre ich pünktlich bereit gewesen für
Dein Eintreffen, soweit es die Hausordnung und Bedienung erlaubt. –
– Hoffentlich hat es mit Deinem Mittagessen diesmal besser
geklappt. Ich war so froh, daß Dir die Sitzungsperiode diesmal nicht
überanstrengend war. Aber das Erlebnis mit
dem kleinen Scholz war doch
recht betrübend. Wie seltsam ist es, daß im Augenblick so viel
Bekannte stürzen und sich die Knochen brechen! Denn von
Schwidtals erfahre ich jetzt, daß auch
Ila auf der Treppe gefallen sei
und einen Riß im Hinterkopfschädel
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| sich zugezogen habe,
der erst bei der Sektion entdeckt wurde. Wie gut, daß sie nicht
wieder zum Bewußtsein kam! – – Dagegen bin ich wirklich so
günstig weggekommen, wie ich es garnicht ahnte. Ich war nämlich
neulich beinah erstaunt, daß Du gut fandest, daß mir der Arm so
verrenkt nach oben lag. Ich hatte darüber garnicht weiter
nachgedacht. Und ich habe ja auch wirklich auch damit Mühe genug. Vor
allem will es mit den Gesamtkräften garnicht vorwärtsgehen.
Dies trübe, kühle Wetter hat auch garnichts Belebendes. Du wirst
das wohl auch merken. – Ich finde, daß es dabei keinen Sinn hat, den
Aufenthalt hier, der mir mit Ausnahme des hübschen, bequemen Zimmers
nicht allzu sehr zusagt, noch viel zu verlängern, und ich möchte doch
auf den Plan von
Röselzurückkommen. Es sind dabei mancherlei
Vorzüge, und ich glaube, daß ich der Bedenken Herr werden könnte. Ich
kann von dort aus viel besser die Herrichtung meines Zimmers und der
nötigen Bedienung in die Wege leiten. Alle Besucher haben
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es bequem, denn hierher ist es doch recht umständlich. Und was mir
die Hauptsache ist, mir ist dort die Betreuung durch
Frl. Dr. Clauß wieder möglich,
und hier entbehrt man eigentlich jedes verständnisvolle ärztliche
Eingehen. Es ist doch wohl begreiflich, daß ich auch noch ein wenig
Unterstützung im Allgemeinbefinden brauche. Ich hatte also gedacht,
bis zum
Mittwoch nächster Woche noch
hierzubleiben. Oder wärst Du auch dann noch für eine Verlängerung?
Ich glaube, es wäre gut, wenn ich jetzt mal wieder etwas zu leisten
hätte als Übergang.
Eben ist
Hedwig Mathy gekommen und soll den Brief mit in die
Stadt mitnehmen. So muß ich überstürzt schließen und nur noch viele,
viele Grüße beifügen. Laß mich doch, bitte, wissen, wie Du über den
Fall denkst, und zwar möglichst so, daß es mit dem Auto einzurichten
wäre. Hedwig will mich begleiten, und zu
Rösel kann ich jederzeit.
Ich hoffe, daß Deine Reise gut beendet war, und grüße
Susanne und
Ida. In Gedanken rede ich viel
mit Dir – Du wirst es wissen.
Von ganzem Herzen
Deine Käthe.