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Heidelberg.
24/25.8.1956.
Mein geliebter
Freund!
Statt besser wird das Wetter täglich
übler und ich denke mit lebhafter Teilnahme an Euren so
problematischen Erholungsaufenthalt. Ein Trost ist mir, daß er
wenigstens gemütsmäßig erwünscht ist. Da werden vielleicht auch die
verschiedenen Besucher eine angenehme Unterbrechung sein! Wie wird es
mit der beabsichtigten Heimkehr? Eine Verlängerung ist wohl für
Lenzkirch ausgeschlossen, selbst wenn dort
sich die Möglichkeit bieten würde?
Hier bei mir war äußerlich
und innerlich recht wechselnde Stimmung. Aber Dein Verdacht, ich
sorge nicht für die nötige Wärme, ist diesmal nicht zutreffend
gewesen und
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| außerdem erwärmt mich schon Deine liebe
Fürsorge! noch außer dem Öfchen!
Nach
Hermanns Abreise hatte ich noch
eine ziemlich schwierige Zeit innerer Überwindung, aber schließlich
fand ich doch die rechte Stimmung zu einem ehrlichen aber herzlichen
Schreiben, auf das ich wendend eine warme Antwort bekam, die mir nun
über diesen Knoten forthalf.
Statt dieser Kümmernis kam eine
neue.
Frl. Reinhard blieb
zweimal am Donnerstag aus, und so ging ich heut in die Psychatrische,
um mich nach ihr zu erkundigen. Da war die Auskunft sehr unbestimmt
und dunkel, aber ich ließ mich nicht abweisen, trotzdem blieb mir
auch, als ein Assistent? sich freundlich einmischte, der Tatbestand
dunkel. Sie sei "in der Klinik" – in welcher? – und müsse ganz
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| ruhiggehalten werden. Sie habe ja schon länger
Herzbeschwerden. Aber es sei nicht Gefahr – da kann man sich nun
allerlei ausmalen! Jedenfalls weiß ich, daß sie beim letzten
Zusammensein allerlei seelischen Druck hatte.
Von da an ging
ich die lange, lange
Bergheimer Str. zu
Hanne H., der ich zum
Geburtstag gratulierte. Man kann es mit einem gewissen Vertrauen,
obgleich ja die Besserung nur eine relative ist. Es sollte mich
sehr freuen, wenn Du Recht behieltest, ohne
daß schwere Rückfälle kommen!
Morgen will mich
Renate Klauser zum Kaffee
besuchen, das freut mich, denn ich habe sie lange nicht gesehen. –
Frl. Ingold ist für einige Tage
hier, ehe sie das neue Amt in
Buchen etc.
antritt. Sie hat dort angenehme Wohnung gefunden. Schade, daß sie
weggeht.
Von
Hedwig
Mathy sehe ich garnichts. So ist der tägliche Umgang recht
gelichtet. Aber im Hause ist der Verkehr freundlich und nett.
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25.8. Heut war es sehr stürmisch, aber
jetzt, gegen abend hatten wir angenehme Sonne;
und das Kaffeestündchen mit
Renate Klauser
war erfreulich und ergiebig. Von ihrer
Ott-Heinrich-Tätigkeit hat sie mir ihren Beitrag
für die Festschrift geschenkt. Es war mir ein Anliegen, ihr das Bild
ihres Großvaters recht lebendig
zu überliefern. — —
Mit Dir würde ich gern auch mal
wieder "sprechen" können, sogar auch in Bezug auf Politik, aber auch "andererseits". Eigentlich hoffe
ich auf eine kurze Nachricht darüber, wo Dich ein Gruß von mir am 31.
erreichen kann? Nun, auf alle Fälle kommt er an!!
Auch heut
will ich recht herzliche Grüße an Euch beide Reisende schicken und
hoffen, daß Ihr vor Nässe und Kälte geschützt bliebt. Mögest Du
verstanden haben auch in der kurzen Zeit die nötige Ruhe zu finden
und wieder mit Zuversicht in den reichen Wirkungskreis zurückgehen.
Immer mit liebevollen Wünschen bei Dir